Der Veränderung die Tür versperren hieße das Leben selber aussperren.
-Walt Whitman (1819-1892)-
Leben bedeutet Veränderung. Dies gilt für das private Leben eines jeden einzelnen von uns ebenso wie für das berufliche Leben. Gesellschaft, Politik und Kulturen unterliegen einem steten Veränderungsprozess.
Technologische Entwicklungen sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten rasend schnell erfolgt. Man hat das Gefühl, dass die Zeiträume, innerhalb derer neue Entwicklungen stattfinden, kürzer werden. Das Rad dreht sich schneller.
Die Entwicklungen machen vor uns Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten nicht Halt. Unser beruflicher Alltag ist massiven Veränderungen unterworfen. Elektronische Aktenführung und elektronische Korrespondenz werden mehr und mehr zur Selbstverständlichkeit. Die Technologie erleichtert an dieser Stelle den beruflichen Alltag und erhöht die Effizienz.
Andere Technologien könnten hingegen in der Lage sein, unser (berufliches) Selbstverständnis in Frage zu stellen. Die Frage, ob anwaltliche Beratung in nicht allzu ferner Zukunft durch Künstliche Intelligenz erfolgen wird, ist ernsthaft zu stellen.
Die Firma „LawGeex“ hat gemeinsam mit Professoren der Standford University, der University of Southern California und der Duke University School of Law ein Experiment durchgeführt, bei dem sich ein Algorithmus mit Top-Anwälten messen musste. 20 Anwälte erhielten die Aufgabe, 5 „Non-disclosure agreements“ (Geheimhaltungsverträge) zu überprüfen und darin 30 versteckte rechtliche Probleme zu identifizieren. Die Anwälte benötigen im Schnitt mehr als eineinhalb Stunden und erkannten durchschnittlich 85 % der Rechtsprobleme. Der Algorithmus erreichte eine Genauigkeit bei der Problemerkennung von 94 % und benötigte dafür exakt 26 Sekunden (Quelle: www.haufe.de/recht/kanzleimanagement/legal-tech-steht-der-anwalts-roboter-schon-vor-der-tuer_222_445476.html)
Die Frage ist, wie wir Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte uns diesen technologischen Entwicklungen gegenüber verhalten. Können wir sie in unsere Berufsausübung integrieren? Müssen wir in Zukunft die Rechtsberatung Künstlicher Intelligenz überlassen? Werden wir die Vorteile unserer menschlichen Intelligenz, die neben der Fähigkeit zur Abstraktion auch andere Komponenten wie Empathie und soziale Intelligenz beinhaltet, so nutzen, dass für unsere Mandanten der Weg zum „Anwaltsroboter“ keine Option ist?
Wir können der Entwicklung künstlicher Intelligenz in unserem Beruf mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die Tür versperren. Wir haben aber die Möglichkeit, den Veränderungsprozess zu gestalten und hierdurch die Synergien künstlicher und menschlicher Intelligenz bestmöglich zur Beratung und Vertretung unserer Mandanten einzusetzen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie die Veränderungen, die das Jahr 2019 Ihnen persönlich bringen wird, positiv gestalten können und wünsche Ihnen und Ihren Familien im Namen von Präsidium, Vorstand und Mitarbeitern der Geschäftsstelle der Rechtsanwaltskammer Stuttgart ein besinnliches Weihnachtsfest und ein gesundes neues Jahr!
Ihre
-Ulrike Paul-